Kirche – Die Orgel

Die Orgel in der katholischen Pfarrkirche St. Vinzenz – Auszug aus „Pfarrkirche St. Vinzenz in Illerich 1901-2001“

Die Geschichte des Orgelbaues und auch dieser Orgel ist aufs engste verbunden mit der Hochschätzung des zur Ehre Gottes getätigten Gesangs und der Kirchenmusik in unserem Gottesdienst. Wir stehen damit vor einer der ureigenen Leistungen der christlichen Kirche, die aus ihrem Glaubensverständnis erwachsen ist. Die Orgel, als „Königin der Instrumente“ zählt zu den „Schmuckstücken“ eines jeden Gotteshauses, denn in der Vergangenheit sowie heute und hoffentlich auch in der Zukunft würden ohne sie die Gesänge der Gläubigen nur halb so schön und feierlich erklingen. Ist es in der Schnelllebigkeit der heutigen Zeit nicht erhebend zu wissen, dass eine Orgel nach vielen Jahrzehnten sicherlich noch genau so klingt wie sie es für unsere Vorfahren getan hat, wie sie immer wieder Menschen in Freude und Leid durch verschiedene Stationen des Kirchenjahres begleitet hat?

Kantor Sven Scheuren beschreibt die Orgel der Pfarrkirche wie folgt: Die Orgel ist ein Werk des Orgelbauers Anton Turk aus Klausen, welcher das Instrument im Jahre 1932 in Illerich aufstellte. Turk galt als Nachfolger des bekannten Orgelbauers Heinrich Voltmann, welcher zwischen 1860 und 1900 viele Umbauten, auch beispielsweise von Stumm-Orgeln, durchführte. In dieser traditionsreichen Werkstatt absolvierte Turk seine Orgelbauer-Lehrjahre, lernte die Tochter seines Lehrherren kennen, heiratete sie und übernahm schließlich 1904 die Werkstatt seines Schwiegervaters in Klausen. Turk stellte pneumatische Instrumente in katholischen Kirchen der Eifel, des Saarlandes und des Moselraumes auf.

Von einem spezifischen Stil dieses Orgelbauers wird man wohl nicht sprechen können. Dennoch verrät die Orgel in Illerich einige Charakteristika, in deren Anbetracht man nicht recht weiß ob sie als raffiniert oder geschickt gelungen oder verfehlt eingestuft werden können und ob sie vom fachlichen Standpunkt mit einem leichten Schmunzeln oder aber mit Verständnis und Berufung auf Beschränktheit der Mittel begutachtet werden können.

Das Orgelwerk ist so aufgebaut, dass es sich komplett unter einem Bogen der Emporendecke, ganz als Schwellwerk hinter einer Jalousie befindet.

Dem Hörer, oder besser gesagt, Betrachter präsentiert sich kein optisches Kunstwerk, da alle Pfeifen und technischen Anlagen hinter der Schwelljalousie und ihrem Unterbau verborgen sind. Als Kind ihrer Zeit, in welcher nüchterne Freipfeifenprospekte mit Gruppenbildung und formaler Andeutung von Strukturen durch die Pfeifenpositionierungen, auch mit unterschiedlichen Materialien üblich waren, geht diese Orgel noch einen Schritt weiter und verweigert dem klanglichen Ergebnis jegliches visuelle Pendant. Sollte der Orgelbauer während der Aufbauarbeiten die klangliche Überdimensionierung des Instruments als Anlass genommen haben, das Werk ganz schwellbar zu gestalten? Die räumliche Situation, in welche die Orgel hineinkonzipiert wurde, lässt eher vermuten, dass die Gesamtanlage als Schwellwerk eine kräftige Intonation bei hohem Winddruck ermöglichte und somit vielfältig abgestufte dynamische Schattierungen hervorbringen konnte, einem (spät-)romantischen Spielideal Rechnung tragend. Entsprechend ist auch ein DecrescendolCrescendo-Rollschweller hinzugefügt.

Hinter den Jalousien, welche sich für den Betrachter wie von Geisterhand (durch Fußbewegung des Organisten) öffnen, befinden sich die Pfeifen der beiden Manuale, vorne direkt Trompete 8′. Im hinteren Teil der Orgel befinden sich auf Fußbodenhöhe die Pedalregister. Die größten 8′- und 16′- Pfeifen stehen links und rechts unten auf Zusatzladen. Ebenfalls im unteren Teil der Orgel befindet sich der Oktavausbau für jedes Register anlässlich der Superkoppeln. Orgelbauer Turk zeigt in Illerich, dass er vom Multiplexsystem beeinflusst wurde: Bordun 16′ und Gedackt 8′, Hauptwerkprinzipal und Oktav 4′, Subbass 16′ und Gedacktpommer 8′, Violonbass 16′ und Cellobass 8′ sind jeweils Transmissionen, wobei die obere Oktav des höheren Registers eigenständig ist. Somit verfügt das Pedal über zwei Pfeifenreihen. Die klanglichen Auswirkungen dieser Bauart offenbaren sich Spieler und Höher vor allem im Plenum: Windstößigkeit, Ungleichmäßigkeit und Undurchsichtigkeit, mangelnde Eignung für polyphones Spiel ließen dann auch in der Geschichte des Orgelbaus solche Häufungen von Transmissionen wieder verschwinden, stellen aber auch ein – inzwischen fast zu Seltenheitswert gelangtes – historisches Dokument dar.

Viel Material aus Zink und gutes Holz wurde verwendet. Klanglich ist der Einfluss sogenannter „Orchesterorgeln“ deutlich. Die ganz von Holz gear- beitete Wienerflöte, voll und dick im Ton, erinnert besonders im Diskant an die Querflöte. Ein schönes und inspirierendes Register der Orgel in Illerich!

Cellobass 8′ verfügt über typischen Streicherklang, die beiden 8′-Prinzipale sind deutlich unterschieden: Im zweiten Manual ist ein wesentlich enger mensuriertes und obertönigeres Prinzipalregister als im Hauptwerk. Im zweiten Manual handelt es sich um ein Gegenprinzipal. Die hübsch klingende Viola ist ganz nach Art einer Sologamba, Oktav 2′ schärfer in der Ansprache als Oktav 4′, Quinte 2 2/3′ enger mensuriert. Trompete 8′ hat Becher aus Kupfer, die d3-Pfeife Becher aus Orgelmetall und Stiefel aus Zink.

Die Einzelstimmen, besonders Wienerflöte, zeichnen sich durch eine sehr individuelle Charakteristik aus. Der Violonbass 16′ hat bei voller Länge, Rollenbärten und Kernstichen eine gute Ansprache und ist im Klang von majestätischem Gepräge. Das Gedackt ist nur in der Tiefe aus Holz und von weichem, rundem Klang. Das Register Gedacktpommer hat in der oberen Lage auffällig hohe Füße.

Der Organist hat einen robust wirkenden, stabilen Arbeitsplatz: der schöne Holzspieltisch in Blickrichtung zum Altarraum verfügt über eine Leiste oberhalb der Registerwippen mit Registernamen auf Emailleschildchen in den Farben weiß (Hauptwerk), rosa (II. Manual) und grün (Pedal). Somit sind die gelben Registerwippen frei von jeglicher Beschriftung. Darüber befinden sich zwei Stationen Zughebel für freie Kombinationen. Spielhilfen, automatisches Pedal feste Piano-Kombination, Auslöser, Tuttischalter und große Kontrolluhren für die beiden Schwelltritte lassen ein massives Cockpit entstehen: aufwendige Bedienungselemente für ein eigenwilliges Instrument.

Unleugbar war es wohl in erster Linie zum liturgischen Gebrauch, für improvisatorisches und liturgisches Orgelspiel konzipiert. Aus seiner Zeit heraus verstanden ist diese Orgel sicherlich ein interessantes Dokument einer speziellen Bauweise, dessen Erhaltung lohnt.

Übrigens wurde die letzte, von Orgelbauer Turk geplante Fertigstellungsstufe nie durchgeführt. Somit gibt es einige, am Spieltisch ausgewiesene, jedoch nicht vorhandene Register, besonders in der höheren Fußtonlage. Man ist neugierig, wie diese bereits nominell aufgeführten Register wohl unter Turks Fertigung geklungen und das Gesamtbild der Orgel klanglich zur Höhe hin abgerundet hätten.

Herr Kantor Sven Scheuren schließt seine Ausführungen mit der Hoffnung, dass diese Orgel im Gottesdienst der Gemeinde stets zum Lobe Gottes erklingen und mithelfen möge, die wunderbare Welt der Musik allen Gläubigen zu erschließen.

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